Als Menschen können wir nie die Realität an sich, sondern nur unsere subjektive Wahrnehmung der Realität kennen, jeder Mensch konstruiert seine eigene Wirklichkeit. Diese Sicht bleibt der Alltagserfahrung häufig verborgen, da die Prozesse unbewusst ablaufen und wir die Welt auf ähnliche Weise interpretieren.
Vielleicht hast du schon einmal den Begriff "Konstruktivismus" in irgendeinem Zusammenhang gehört oder gelesen. Dabei handelt es sich um eine erkenntnistheoretische Position - berühmte Vertreter dieser Position sind z. B. Heinz von Foerster, Paul Watzlawick oder Humberto Maturana.
Die zentrale Grundannahme dieser Denkrichtung lautet: Eine (objektive) Wirklichkeit als solche gibt es nicht. Wirklichkeit - oder das, was wir darunter verstehen - entsteht in unseren Köpfen, sie existiert nicht unabhängig von der menschlichen Wahrnehmung.
Die Welt und alles, was wir über sie wissen, wird von unserem Gehirn auf der Basis unserer Sinneseindrücke und unserer Erfahrungen konstruiert (daher der Begriff Konstruktivismus). Diese Konstruktion aber ist immer subjektiv und niemals objektiv - denn sie hängt ja immer von derjenigen Person ab, die da wahrnimmt und beobachtet.
Was wir wahrnehmen, ist im Sinne dieser Theorie also nicht "die Welt" (im Sinne der objektiv existierenden und für alle Lebewesen und immer genau gleichen Welt), sondern unsere Interpretation der Welt.
Menschen können sich zwar über ihre Kommunikation auf eine Interpretation der Welt als Ganzes oder in Teilaspekten verständigen und damit auch einigen, dennoch bleibt die Wahrnehmung subjektabhängig.
"Meine" Welt wird damit nie ganz deckungsgleich mit "deiner Welt" sein - denn ich bin ja nicht du.
Doch hier erst mal die Sichtweise des Buddhismus dazu.
"Die Dinge bestehen aus Geist”. Im Buddhismus wird zwischen gewöhnlichem Bewusstsein und erleuchteter Weisheit unterschieden.
Beim gewöhnlichen Bewusstsein, wie wir es täglich erleben, projiziert unser Ego seine eigenen Bilder, anstatt die Welt direkt, so wie sie ist, wahrzunehmen.
Erst im "Erleuchtungszustand" werden die Dinge dann so sehen, wie sie
wirklich sind, ohne Bewertung oder Anhaftung. Der Dalai Lama spricht hier auch
von getäuschter oder konventioneller Wahrnehmung vs. gültiger Wahrnehmung bzw.
höherer Weisheit.
Unser Augenbewusstsein nimmt Formen wahr, unser Hörsinn hört Laute, unser Geruchsinn erlebt Gerüche, der Geschmackssinn erlebt Geschmack und unser Tastsinn erfährt Körperempfindungen. Diese Wahrnehmung als solche ist frei von Konzepten.
Dann kommt das sogenannte Geist-Bewusstsein ins Spiel. Es ist eine mentale Instanz, die die Eindrücke konzeptionalisiert – also z.B die Sinneseindrücke als Baum erkennt bzw. etikettiert. Das "Geist-Bewusstsein" seinerseits ist geprägt von den Eindrücken, nicht nur dieses Lebens, sondern aller vorherigen Leben und deshalb nur zu einer getäuschten Wahrnehmung fähig.
Der buddhistische Meister Rangjung Dorje formulierte dies im 14 Jh. zusammenfassend folgendermaßen: „Zwar nimmt das Bewusstsein ein Objekt wahr, seine Besonderheiten werden jedoch von den geistigen Faktoren konstruiert.“ Der historische Buddha soll pointiert gesagt haben: „Es ist unser Geist, der die Welt erschafft.“
Nach dieser Sichtweise existiert also nichts unabhängig von unserer subjektiven Wahrnehmung, aus sich selber heraus.
Subjekt (Beobachter)
und Objekt (Beobachtungsgegenstand) sind nicht trennbar.
Viele moderne Psychotherapieformen gehen davon aus, dass unsere Wahrnehmung immer subjektiv ist. Exemplarisch hierfür ist das folgende Wahrnehmungsmodell aus dem NLP bzw. der Hypnose nach Erickson: Wie kommt es, dass Menschen auf die gleiche Außenwelt unterschiedlich reagieren?
Einige Menschen haben z.B. Angst vor Gruppen zu reden. Andere können vor der gleichen Gruppe ganz entspannt reden. Oder:
Zwei Personen, die den gleichen Hund sehen, reagieren völlig unterschiedlich auf ihn, weil die eine Person Hundeliebhaberin ist, während die Andere Angst bekommt, weil sie schon einmal von einem Hund gebissen wurde.
Die eine sieht einen treuen Hundeblick, während die Andere gefährlich Zähne wahrnimmt. Hier kann man nicht sagen, der Hund macht der einen Person Angst. Der Hund ist nicht die Ursache der Angst, sondern die Weise, wie der Hund wahrgenommen wird, ist der Grund für die Angst.
Ein anderes praktisches Beispiel sind Zeugenvernehmungen, bei denen jeder oft etwas anders gesehen oder gehört hat. Hier spielt dann zusätzlich noch die Tatsache eine Rolle, dass unser Gedächtnis eine so genannte kreativ-konstruktive Fähigkeit besitzt, d.h. es verändert Erinnerungen und erfindet hinzu, statt unverändert zu „archivieren“.
Modellhaft lässt sich der Wahrnehmungsprozess wie folgt darstellen: Grafik “Subjektive Wahrnehmung”. Zunächst werden die äußeren Objekte – wenn sie eine bestimmte neurologische Schwelle überschreiten, also z.B. laut genug sind - selektiv mit den Sinnen wahrgenommen (Filter #1).
Hier spielen außerdem unterschiedliche Präferenzen für die verschiedenen Sinneskanäle, als auch Tilgungen und Verzerrungen (z.B. optische Täuschungen) eine Rolle. Da wir nicht wahrnehmen können, ohne zu bewerten oder Gefühle zu entwickeln, erfolgt im nächsten Schritt eine subjektive Bewertung der Sinneseindrücke (Filter # 2).
Die Filterung auf dieser Ebene #2 ist ein psychologischer Prozess, der u.a. von unserer Persönlichkeit, unseren Prägungen, Erfahrungen, Werten und Glaubenssystemen, aber auch unserer Tagesform abhängig ist.
Diese zweite Filterebene beeinflusst außerdem die erste Filterebene: Sind wir z.B. im Stress, so werden wir häufiger etwas tilgen (übersehen) und unsere Prägungen und Erfahrungen beeinflussen unsere Verzerrungen oder unsere Fokussierungen.
Aus diesem Wahrnehmungsprozess ergibt sich dann unsere subjektive, interne Repräsentation (das, was wir für die Wirklichkeit halten), auf die wir dann mit Gefühlen und Handlungen reagieren.
Was dies bedeutet, hat vor sehr langer Zeit schon Marc Aurel sehr treffend formuliert: „Das Glück Deines Lebens hängt von der Beschaffenheit deiner Gedanken ab.“ Und Paul Watzlawick schreibt dazu: „Aus der Idee des Konstruktivismus ergeben sich zwei Konsequenzen:
Erstens, die Toleranz für die Wirklichkeit anderer - denn dann haben die Wirklichkeiten anderer genauso viel Berechtigung, wie meine eigene.
Zweitens, ein Gefühl der absoluten Verantwortlichkeit. Denn wenn ich
glaube, dass ich meine eigene Wirklichkeit herstelle, bin ich für diese
Wirklichkeit
verantwortlich.“
Quelle:Wirtschaftswissenschaftlerin und NLP-Expertin Dr. Maren Franz
"Unser Gehirn bestimmt, wie uns die Welt erscheint.“ Die Erkenntnisse der modernen Hirnforschung unterstützen die buddhistische und die konstruktivistische Sicht. So sagte z.B. der Direktor des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung Wolf Singer in einem Interview: „Wahrnehmung ist stets ein aktiver Prozess, keineswegs bloßes Aufnehmen von Sinneseindrücken. Unsere Wahrnehmungssysteme sind in hohem Maße interpretativ.“
vieles davon ist sinnlos, anderes widersprüchlich. Aus dieser Flut von Sinneseindrücken setzt unser Gehirn eine und manchmal mehrere mögliche Repräsentationen der Wirklichkeit zusammen.
Es ist die Aufgabe des Hippokampus, aus der Fülle möglicher Deutungen, die plausibelste auszuwählen. Was allzu ungewöhnlich scheint, wird verworfen.
Frei nach dem Motto von Christian Morgenstern: „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf." Im Alltag ermöglicht uns diese Fähigkeit z.B. auch dann sinnvolle Sätze zu lesen, wenn ein Text lückenhaft ist – „W e k mmt es, dass s e di sen S tz l sen kön n?“
Wir lesen hier nicht das, was hier steht, sondern verzerren bzw. interpretieren diesen Satz automatisch so, wie es sinnhaft zu sein scheint.
In die gleiche Kategorie gehört der folgende Satz, der vor einiger Zeit seine Runde durch die Presse machte: "Nach einer Studie der Universitt Cambrieg ist es eagl, in wlehcer Reiehnfogle die Bchustebaen in Woeretrn vokrmomen".
Um die Sache für dich ein bisschen anschaulicher zu gestalten, findest du nachfolgend ein paar Beispiele aus der Wahrnehmungspsychologie, die dir zeigen sollen, was für ein komplizierter (ebenso störanfälliger wie kreativer!) Prozess deine Weltsicht eigentlich ist:
Was erkennst du z. B. auf dem ersten Bild? Eine alte oder eine junge Frau?
Und was auf dem zweiten? Einen (weißen) Becher, oder zwei (schwarze) Gesichter im Profil?
In allen Fällen entstehen in deinem Kopf Bilder, die mit der "objektiven" Reizvorlage zwar etwas zu tun haben, die aber mehr sind als das, was du tatsächlich vor Augen hast.
Eine wesentliche Rolle dabei spielen deine persönliche Erfahrung, dein Wissen über die Welt, aber auch solche Dinge wie deine Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen. Alles das beeinflusst das, was du als "Realität" um dich herum erlebst.
Unsere Wahrnehmung funktioniert eben nicht nur "bottom up" (von unseren Sinnesrezeptoren bis zu unserem bewussten Wahrnehmen), sondern auch "top down" (das Gehirn beeinflusst mit den in ihm gespeicherten Informationen den Prozess der Reizverarbeitung).
Du kannst einen ähnlichen Effekt auch auf taktiler Ebene leicht selbst ausprobieren, indem du den Drei-Schalen-Versuch von Weber zuhause nachstellst: Fülle eine Schale mit sehr kaltem Wasser, eine mit sehr heißem und eine dritte mit ungefähr zimmerwarmem Wasser. Jetzt tauche für ein bis zwei Minuten zuerst deine rechte Hand in die Schale mit dem ganz kalten und deine linke in die mit dem ganz heißen Wasser.
Anschließend tauchst du beide Hände gleichzeitig in die mittlere Schale mit dem zimmerwarmen Wasser. Du wirst sehen - das gleiche Wasser fühlt sich an der linken Hand anders an als an der rechten! Und das alles nur, weil die beiden Hände vorher unterschiedliche "Erfahrungswerte" gesammelt haben ...
Die wichtige Erkenntnis für dich aus all diesen Überlegungen und "Spielereien": Versuche doch mal für eine Weile, dich selbst in deiner Art, die Welt wahrzunehmen und auf sie zu reagieren, ein bisschen unter die Lupe zu nehmen. Kannst du ein paar von den "Filtern" erkennen, die deine ganz persönliche Sicht auf die Dinge und Menschen einfärben?
Keine Frage - viele davon sind sicher sehr nützlich und hilfreich, und sie wirst du sicher an Ort und Stelle lassen wollen. Aber eventuell stösst du ja bei deinen Beobachtungen auch auf den einen oder anderen Filter, der eher hinderlich ist (vielleicht ein bisschen nebelig, Täuschungen erzeugend oder verzerrend)?
Dann kannst du ja probieren, ob du ihn austauschen oder modifizieren kannst. Denn schließlich ist er ein Ergebnis deiner Lerngeschichte, kein unabänderliches Schicksal!
Abschließend zu diesem Kapitel noch ein ganz tolles Beispiel dafür, wie dein Gehirn arbeitet und zu was für konstruktivistischen Leistungen es fähig ist. Lies einfach drauf los - du wirst überrascht sein!
FAZIT:
Wahrheit kommt von WAHR - NEHMEN!
Somit hat jeder Mensch seine eigene Wahrheit, problematisch wird es erst, wenn du glaubst, dass deine Sicht der Wirklichkeit die einzig Richtige ist und wenn du dann glaubst, dass alle anderen sich daran halten müssen.Es wäre schön, wenn du meinen Beitrag teilen würdest. Ich habe mir viel Zeit dafür genommen und wünsche mir, dass viele Menschen diesen auch lesen können.
Grüße von Herzen
Uwe
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Prince
Uwe Trevisan
danke für deine Rückmeldung:) Grüße Uwe
Bianca
Uwe Trevisan
wunderbar, das gibt mir Kraft weiterzumachen.
Herzliche Grüße
Uwe
Willi
Uwe Trevisan
das ist eine gute Idee.
Luisa Krämer
Uwe Trevisan
das ist in der Tat oft schwierig.
Grüße
Uwe
Melanie Franke
Melanie
Uwe Trevisan
alles gute für dich.
Uwe
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